Sichtweise im Wandel

Bis vor einigen Jahren wohnte ich in einem sozial eher durchmischten Viertel Berlins. Der Alltag war bunt, die Wohnungen ähnelten einander, die Mieten waren moderat, die Nachbarschaft vielfältig und zuweilen anstrengend. Da gab es Künstler, Beamte, Krankenschwestern, Lehrer, Lebenskünstler und Menschen, die ausschließlich von der Unterstützung des Staates lebten. Vielfalt, die zur Toleranz erzog. Später zogen wir in das, was man eine gut bürgerliche Gegend nennt. Es dominiert das Eigentum, sowohl im engeren als auch im weiteren Sinne. Die Wohnung ist individuell, das Umfeld gediegen, die Nachbarschaft angenehm und homogen. Statt mit einer U-Bahnlinie, deren Fahrgäste sich aus Großsiedlungen speisen, fahre ich nun mit der S-Bahn, die fast ausschließlich Hausbesitzer in die Büros von Berlin-Mitte bringt. Ich habe es geschafft. Leider entdecke ich an mir mit Erschrecken die aufkeimenden psychischen Kolateralschäden des sozialen Aufstiegs. Soziale Überheblichkeit, die sich in einer rückläufigen Toleranz gegenüber andersartigen Lebensweisen manifestiert.